Abdruck des am 22.12.2019 erschienenen Artikels mit freundlicher Genehmigung von „Lippstadt am Sonntag“.
Seyran Ates referierte in der VHS über die Rolle der Frau im Islam
Lippstadt. Gut 80 Zuhörer waren in die Volkshochschule gekommen, um den Vortrag von Seyran Ates zum Thema „Menschen und Rechte sind unteilbar“ zu hören. In seiner Begrüßung gratulierte Michael Tack, Sprecher des Lippstädter Netzwerks für Frieden und Solidarität, Seyran Ates für den Menschenrechtspreis der Universität Oslo, der ihr eine Woche vorher verliehen wurde, „die letzte von zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen, die Seyran Ates in den letzten Jahren erhalten hat“, so Tack.
In ihrem Vortrag ging Ates, eine gläubige Muslima, besonders auf die Rolle der Frau im Islam ein. Ihrer Meinung nach werde das Recht von Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben häufig verletzt, indem Frauen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen oder sich zu verschleiern, gegen ihren Willen verheiratet werden oder nicht mit den Männern gemeinsam in der Moschee beten dürfen. Die Befürworter dieser restriktiven Regelungen würden sich darauf berufen, dass der Koran dies so vorsehe. „Zeigt mir, wo das im Koran steht“, ist ihre treffsichere Antwort auf ihre Kritiker. Laut Ates finden sich im Koran keine Hinweise auf diese Auslegung.
Besonders angefeindet und bedroht werde Ates, seit sie im Jahr 2017 in Berlin eine liberale Moschee eröffnete, in der Frauen und Männer gleichberechtigt und gleichwertig sind und sowohl Männer als auch Frauen predigen, das Gebet leiten oder als Imam bzw. Imamin tätig sein dürfen. Sie vertrete einen progressiven, zeitgemäßen Islam, der mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar sei. Ihre Kritiker kontert Seyran Ates mit der Aussage, dass „in Mekka Männer und Frauen gemeinsam beten, und das soll in unseren Moscheen nicht möglich sein?“
In vielen Ländern der arabischen Welt gäre es und die Menschen würden für mehr Demokratie und Menschenrechte demonstrieren, was aber ihrer Meinung nach in den Medien zu wenig Beachtung finde.
Auch fand sie kritische Worte für einen Großteil der Politiker, die ihrer Meinung nach zu viel Entgegenkommen zeigten für einzelne, konservative Islamverbände. Eine zu vorsichtige Haltung aus Angst, als rassistisch zu gelten, helfe dem allgemeinen und nötigen Diskurs über die Tradition der Unterdrückung der Frau im Islam nicht weiter. Ates fordert daher „eine offene und ehrliche Diskussion über den Islam“.
Auch in den Schulen werde oft zu viel Rücksicht genommen auf moslemische Schüler, wobei Lehrer zu wenig Unterstützung durch die Politik erfahren würden. „Ein 17-jähriges Mädchen will nicht mit auf eine Klassenfahrt, da sie die Gefahr sieht, dass sie in der Zeit ihren religiösen Pflichten nicht ausreichend nachkommen kann. Was würden wir sagen, wenn ein christliches Mädchen so argumentiert? Oder an Schulen wird kein Schweinefleisch ausgeteilt aus Rücksicht auf die Mitschüler moslemischen Glaubens. Wir leben in Deutschland und hier müssen die deutschen Gesetze beachtet werden“, so Ates.
Sie berichtete weiter, dass sie schon seit vielen Jahren beschimpft und bedroht werde und diese Bedrohungen seit der Gründung der liberalen Moschee massiv zugenommen, so dass sie unter ständigem Polizeischutz stehe und auch in Lippstadt von fünf Personenschützern begleitet wurde.
Den Abschluss des Abends bildete eine angeregte Diskussion mit dem Publikum, in der besonders die Beiträge von drei jungen Muslima Beachtung fanden, die über ihre alltäglichen Probleme berichteten und sich in den Schilderungen von Ates wiederfanden. Die Ausstellung von Pro Asyl ist noch bis zum 17. Januar in der Volkshochschule zu sehen.