Abdruck des am 10.11.2019 erschienene Artikels mit freundlicher Genehmigung von Lippstadt am Sonntag.
Lippstadt. (-ger) Lippstadt wird zu einem sicheren Hafen für Flüchtlinge und bietet dem Bund an, pro Jahr bis zu zehn Geflüchtete, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind, zusätzlich aufzunehmen. Der Rat der Stadt folgte am Montagabend einem Antrag der Linken und sprach sich zugleich mit einer „dicken Mehrheit“ für einen entsprechenden Bürgerantrag des Lippstädter Netzwerkes für Frieden und Solidarität aus. Das Stadtparlament appelliert damit zugleich an die Bundesregierung und die EU, die humanitäre Seenotrettung im Mittelmeer zu gewährleisten und eine gesamteuropäische Lösung zur Aufnahme der Flüchtlinge zu vereinbaren. Zugleich sollen die Fluchtursachen verstärkt angegangen werden.
Die „Seebrücke“ hat sich Ende 2018 gegründet, nachdem dioe „Lifeline“ tagelang auf hoher See mit 234 Menschen an Bord in keinem europäischen Hafen anlegen durfte, und versteht sich als internationale Bewegung, die von verschiedenen Bündnissen und Akteuren der Zivilgesellschaft getragen wird. Die Bewegung erwartet von der deutschen und europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, die Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder auf der Flucht sind. Seit dem letzten Jahr wurden verschiedene Stadt- und Gemeinderäte von verschiedensten Stellen aufgefordert, dem Bündnis „Sichere Häfen“ beizutreten. Sie sollten damit ihre Bereitschaft erklären, Bootsflüchtlinge zusätzlich zur Verteilungsquote des Landes aufzunehmen. Im Juni dieses Jahres haben sich nach einem Bericht der Stadtverwaltung 60 deutsche Städte zu dem Bündnis „Sichere Häfen“ zusammengeschlossen.
In ihrer Stellungnahme verweist die Verwaltung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Aufnahme von Flüchtlingen. Danach sind für die Erteilung einer Einreisegenehmigung aus dem Ausland grundsätzlich die jeweiligen deutschen Auslandsvertretungen zuständig. Die Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen sei der Bundesrepublik oder der zuständigen Landesregierung vorbehalten. Die Stadt Lippstadt habe hier keine Zuständigkeiten und Handlungsspielräume, so der Chefjurist der Stadt, Joachim Elliger. Nach Einreise in die Bundesrepublik könnten Schutzsuchende einen Asylantrag stellen. Im weiteren Verfahren werde in NRW durch die Bezirksregierung in Arnsberg auf der Basis des sogenannten Königsteiner Schlüssels und dem Stand der jeweiligen Erfüllungsquote entschieden, welcher Kommune der Flüchtling zugewiesen werde. Nach der Zuweisung erfolge eine Anrechnung auf die Quote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz. In Lippstadt beträgt diese Quote nach Angaben von Elliger 103,12 Prozent. In diesem Jahr wurden der Stadt insgesamt 98 Personen zugewiesen, darunter 25 in Lippstadt geborene Kinder.
„Die vorhandenen Unterbringungskapazitäten sind noch ausreichend, müssen aber bei weiterer Zuweisung von Flüchtlingen wiederum möglicherweise erweitert werden“, erläuterte Fachbereichsleiter Elliger. Soweit, so gut, aber über die Beschreibung der Rechtslage gehe die Darlegung der Verwaltung nicht hinaus, befand der Sprecher der Linken, Michael Bruns. Ihm fehlte eine klare Willenserklärung. Der Grundgedanke sei richtig, das bestehende Verteilungssystem verschaffe der Kommune aber eine gewisse Sicherheit, warf Bürgermeister Christof Sommer ein. Zahlreiche Kommunen haben sich inzwischen als „Sichere Häfen“ positioniert, darunter Arnsberg, Hamm, Detmold und Olsberg; auch Großstädte wie Köln, Düsseldorf, Dortmund und Bielefeld sind darunter.
In seinem Bürgerantrag verweist der Sprecher des Lippstädter Netzwerkes für Frieden und Solidarität, Michael Tack, auf die Stellungnahme von Bundesinnenminister Horst Seehofer vom August dieses Jahres, der die Seenotrettung als „ein Gebot der Menschlichkeit“ bezeichnet hatte. Der stellvertretende Bürgermeister Franz Gausemeier (CDU) setzte dort auf: „Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, wenn einer in Not ist“. Lippstadt habe 1.000 Menschen bekommen und das gepackt. Michael Bruns wollte es dabei nicht bewenden lassen und über den Appell Druck auf die europäischen Länder ausüben, vor allem die, die sich gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen sträuben oder sich abschotten. Die Fraktionssprecher von SPD und Grünen, Thomas Morfeld und Ursula Jasperneite-Bröckelmann schlossen sich dem Vorstoß von Linken und Netzwerk an. Auch die Liberalen stimmten inhaltlich zu, Dr. Dirk Georges sah jedoch keinen Sinn in Aktionismus und einer numerischen Lösung für die zusätzliche Flüchtlingsaufnahme. Die breite Mehrheit unterstützte die Anträge, darunter CDU-Fraktionschef Peter Cosack. Weil das Abstimmungsergebnis Anlass für Irritationen gab, hat Bürgermeister Sommer den Fraktionen die Wiederholung der Entscheidung am 16. Dezember angeboten.