Die AfD und der Antisemitismus

Begrifflichkeit

Oberbegriff für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund ihrer angenommenen oder realen Zugehörigkeit zu „den Juden“ negative Eigenschaften unterstellen (zitiert nach Wikipedia). Der moderne Antisemitismus bietet ein allumfassendes System von Ressentiments und (Verschwörungs)-Mythen (Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 30.04.2020). Er blüht latent im Verborgenen, in Andeutungen, Codes, Vergleichen (bpb).

Björn Höcke und der Fall Wolfgang Gedeon

Björn Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag und Begründer der rechtsextremen, inzwischen aufgelösten Parteiströmung „Der Flügel“.

Wolfgang Gedeon ist Arzt, war als Student Mitglied der maoistischen KPD/ML und wurde 2013 Mitglied des baden-württembergischen Landtags für die AfD.

Gedeon schrieb 2012 ein Buch, in dem er darlegte, die talmudischen Ghetto-Juden seien der innere Feind des christlichen Abendlandes“ gewesen, und sprach von „Ethnosuizid“ und „Zionismus durch die Hintertür“. Laut Gedeon arbeiten Juden zudem an der „Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden“ mit dem Ziel einer „Judaisierung der christlichen Religion und Zionisierung der westlichen Politik“. In seinem Buch beruft er sich auf die „Protokolle der Weisen von Zion„, der „folgenreichsten Fälschung der Weltgeschichte“ (Deutschlandfunk 25.08.1998) zur angeblichen jüdischen Weltverschwörung (Wikipedia). Die AfD um Jörg Meuthen versuchte vergeblich , Gedeon aus der Partei auszuschließen (was dann erst am 20.03.2020  passierte).

Björn Höcke stellte sich von Anfang an hinter Gedeon: Gedeons Gedanken, so Höcke, „können einen wichtigen Beitrag zur Klärung unseres Selbstverständnisses leisten“ (Die Welt.de, 21.06.2016)

2015 hat sich Höcke zudem in einem Vortrag für die „JA (Junge Alternative)“ wie folgt geäußert: „Christentum und Judentum stellen einen Antagonismus dar. Darum kann ich mit dem Begriff des christlich-jüdischen Abendlandes nichts anfangen.“ (Focus, 18.12.2015). Damit hebt Höcke auf ein ausschließlich christliches Abendland ab, distanziert sich von den jüdischen Wurzeln des Christentums und behauptet damit dann auch, wenn er aus dem christlichen Abendland folgert, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dass auch das Judentum nicht zu Deutschland gehöre, ohne es direkt zu sagen. Denn schon der Begriff des christlich-jüdischen Abendlandes ist falsch und darauf angelegt, Muslime auszuschließen.

Faktenlage: Alle drei großen Weltreligionen entstanden im Morgenland und haben sich – in unterschiedlicher Ausprägung – über die Erdkugel ausgebreitet.

Peter Felser und die Holocaustleugnung

Peter Felser ist Vizefraktionsvorsitzender der AfD im Deutschen Bundestag.

Felser hat in den Jahren 2001 und 2003 als Mitinhaber eines Medienverlags an der Produktion von Fernsehspots mitgewirkt, die von der damals vom Bundesamt für Verfassungsschutz noch als rechtsextrem bewerteten Partei Die Republikaner für Wahlkampfzwecke vorgesehen waren. Sowohl der Sender Freies Berlin wie der Hessische Rundfunk verweigerten jedoch die Ausstrahlung, da sie strafbewehrte Volksverhetzung durch Holocaustleugnung verwirklicht sahen. Im selben Video wurde der Zentralrat der Juden als geheim mitregierende Organisation verdächtigt und vor Michel Friedman gewarnt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte nicht nur den „eindeutig antisemitischen Charakter“ der Inhalte, sondern urteilte, dass der Film „nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums nur dahin verstanden werden kann, dass mit ihm der Holocaust gebilligt, geleugnet oder verharmlost werden soll“ (Die Zeit online, 27.11.2017).

Björn Höcke und der Fall George Soros

George Soros ist ein US-amerikanischer Multimillionär jüdischen Glaubens. Er hat sich im Demokratisierungsprozess in Osteuropa stark gemacht, seine Stiftung unterstützt „Reporter ohne Grenzen“.

Laut Höcke ist die EU “in ihrer heutigen Form nichts anderes als eine Globalisierungsagentur, die den als pervers zu bezeichnenden Geist eines George Soros exekutiert“ und im weiteren tutuliert Höcke Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Soros-Kundin“, drückt damit die vermeintliche Abhängigkeit der “Kartellparteienpolitiker” von “einer geschlossenen transatlantischen Elite” aus – ein Codewort für das Judentum (RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland), 10.08.2020).

Martin Hohmann und der „jüdische Bolschewismus“

Martin Hohman ist Mitglied des Deutschen Bundestags, wurde 2004 aus der CDU ausgeschlossen und trat 2016 der AfD bei. Er war für die CDU Bürgermeister in Neuhof bei Fulda und Jurist beim BKA.

Hohmann sagte zum Tag der Deutschen Einheit am 03.10.2003, dass trotz der allseitigen Beteuerungen, dass es Kollektivschuld nicht gäbe, die Deutschen das ‚Tätervolk‘ seien. Er verweist in dem Zusammenhang auf die Rolle der Juden in der russischen Revolution und bezieht sich auf das antisemitische Buch von Henry Ford „Der internationale Jude“, in dem Ford die Juden in ‚hervorragendem Maße‘ als ‚Revolutionsmacher‘ bezeichnet habe. Also könne man, so Hohmann „mit einer gewissen Berechtigung (…) im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der ‚Täterschaft‘ der Juden fragen. (…) Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ‚Tätervolk‘ bezeichnen. Hohmann löst das aber positivistisch auf: „Daher sind weder ‚die Deutschen‘ noch ‚die Juden‘ ein Tätervolk“. (vollständige Rede: Tagesschau.de)

Damit betreibt Hohmann eine Entlastungsargumentation für die Deutschen und benutzt dazu demagogische Verdrehungen. Er definiert die Religionsgemeinschaft der Juden in seiner Rede als Volksgemeinschaft, übernimmt damit die völkische Definition der Nationalsozialisten. Und indem er die Rechnung „Judentum gleich Bolschewismus“ aufmacht, definiert er auch den Bolschewismus so, wie es bereits die Nazis taten – Joseph Goebbels sagte 1936 über den Bolschewismus: „Es handelt sich bei ihm um einen pathologischen verbrecherischen Wahnsinn. Nachweisbar von Juden erdacht und von Juden geführt. Mit dem Ziel der Vernichtung der europäischen Kulturvölker und der Aufrichtung einer internationalen jüdischen Weltherrschaft über sie.“ (Frontal 21, 11.11.03)

Faktenlage: Ja, russische Juden, wie z.B. Leo Trotzki in führender Funktion, haben sich an der Oktoberrevolution beteiligt, wie alle unter dem Zar in Not, Hunger und Elend lebenden Menschen, egal welcher Religion. Am Terrorregime Stalins war Trotzki nicht mehr beteiligt, wurde ins Exil gedrängt und später ermordet. Es war definitiv keine „jüdische Revolution“ – das ist Geschichtsklitterei à la Goebbels.

Björn Höcke und Multikulti

In seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ spricht Höcke von „neoliberalistischen Multikultikräften“, die „Freunde des Volkstods“ seien. Damit benutzt er Metaphern über zerstörerische internationale Kreise und der Begriff ‚Volkstod‘ wird weltweit im Antisemitismus als Code für Juden genutzt wie auch für jene, die aus Sicht der Antisemiten für Juden arbeiten. Höcke stellt „dem alten Schema folgend eine Gruppe […] als universale Bedrohung“ dar (zitiert nach: Matthias Quent, Deutschland rechts außen, 2021, S.59 f).