Die AfD und der Nationalsozialismus

Die AfD pauschal als faschistisch zu bezeichnen, ist sicher nicht richtig, schießt weit über das Ziel hinaus. Es verharmlost im Gegenteil die Einzigartigkeit der Greuel des Nationalsozialismus. Der AfD fehlt es dazu am „Führerprinzip“ und einer am Militär ausgerichteten Parteiorganisation.

Dennoch gibt es im Sprachgebrauch viele Parallelen zu den Nazis, der thüringische Vorsitzende Björn Höcke verkörpert so etwas wie ein Führerprinzip und der Totalitätsanspruch blitzt versteckt auch immer wieder durch, wenn diese 11%-Partei meint, alleine für die wahren Deutschen zu sprechen.

Björn Höcke und das Führerprinzip“

Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag.

Führende „Grünen- oder Linken-Politiker und manche Medienleute“ würden „über unseren bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ jubeln. Nur ein Führer könne „als alleiniger Inhaber der Staatsmacht ein zerrüttetes Gemeinwesen wieder in Ordnung bringen“. Diese „Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt“, sei auch „tief in unserer Seele verankert“. In einer „erhofften Wendephase“ würden, so Höcke, „wir Deutschen keine halben Sachen“ machen, dann würden „die Schutthalden der Moderne beseitigt“; es stünden „harte Zeiten bevor, denn je länger ein Patient die drängende Operation verweigert, desto härter werden zwangsläufig die erforderlichen Schnitte werden“. Eine „neue politische Führung“ müsse „Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen“. Das gehe mit menschlichen Härten und unschönen Szenen einher und man werde dabei auch so konsequent wie nötig vorgehen (Report Mainz, 20.08.2019 und die Zeit online, 21.01.2019, Wikipedia, Björn Höcke: Nie zweimal in denselben Fluss)

Faktenlage: „Umvolkung“ ist ein Begriff aus der nationalsozialistischen Volkstumslehre und meint die Re-Germanisierung der Volksdeutschen. Ohne diese „Umvolkung“ sterben die Deutschen den „Volkstod“. Diese Begrifflichkeiten sind ohne einen entsprechenden Rassegedanken und Verschwörungstheorien nicht sinnvoll einsetzbar (Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 617). Hinter dem „großen Austausch“ stehen die Multikulturalisten, die Eliten, die Juden (siehe auch: Antisemitismus). Vom „Bevölkerungsaustausch“ reden auch Gauland, von Storch und Meuthen (Schwarzwälder Bote, 18.05.2017, Panorama, 03.03.2020, Tagesspiegel, 21.02.2020).

Die Sprache ist Goebbels frappierend ähnlich – am Ende stand die Deportation und Ermordung von 6 Millionen Juden, Sinti & Roma, Sozialdemokraten und Kommunisten.

Björn Höcke und die Menschenrechte

Das Bekenntnis zu universalen Menschenrechten bezeichnet Höcke als eine „ethnische Säuberung der ganz besonderen Art“ (Björn Höcke: Nie zweimal in denselben Fluss)

Faktenlage: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist als Antwort auf die barbarische Zeit des Nationalsozialismus und der zwei Weltkriege am 10.12.1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet worden. In der Präambel heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.

Matthias Helferich und der „NS“

Helferich ist Vize-Vorsitzender der NRW-AfD und steht auf Platz 7 der Landesliste NRW für die Bundestagswahl.

Der 33-jährige Jurist Helferich hatte sich 2016/17 in privaten Chats unter anderem als »das freundliche Gesicht des ns« bezeichnet – »ns« steht für Nationalsozialismus. Auch sprach er von sich als »demokratischer Freisler« (WDR-Nachrichte online, 13.08.2021)

Faktenlage: Hier vergleicht sich ein Jurist der Bundesrepublik direkt mit einem hohen Richter des Nazi-Regimes – Freisler war in der Nazizeit als Präsident des Volksgerichtshofs für 2600 Todesurteile verantwortlich.

Mirko Fischer und der „entartete Menschenmüll“

Fischer ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Kreistag Soest.

In einem Facebookpost vom 20.10.2020 spricht er von Muslimen als „entarteter Menschenmüll“ (zitiert nach: Der Patriot, 31.08.2021)

Faktenlage: Den Begriff der Entartung gibt es in der Wissenschaft schon lange vor der Nazi-Zeit. Er besagt zunächst einmal nur eine negative Abweichung von einem Normalzustand. So gibt es diesen Begriff auch in der Mathematik und in der Medizin für somatische und psychologische Anomalien.

Entartung im Nationalsozialismus wurde als Entartung des Blutes aufgefasst. Entartung wurde verstanden als physischer und geistiger Niedergang einer Rasse, eines Volkes infolge von Rassenmischung, erblicher Krankheiten und Auswirkungen der modernen Lebenswelt. Daraus entwickelten die Nazis die Euthanasie, die Tötung „lebensunwerten Lebens“. Die Vorstellung der Entartung wurde zur Legitimation für staatliche Maßnahmen und Eingriffe in das Leben der einzelnen herangezogen, die in der Ermordung von Menschengruppen gipfelten (Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. S. 181). Daran knüpft Fischer sprachlich mit seiner Aussage zu Muslimen an.

Björn Höcke und Schafe und Wölfe

Höcke in seiner Rede auf dem Kyffhäuser Treffen 2018: „Heute lautet die Frage Schaf oder Wolf. Und ich, liebe Freunde, meine hier, wir entscheiden uns in dieser Frage: Wolf.“ (Spiegel online, 24.06.2018) Die ‚Zeit des Wolfes‘ sei nun gekommen. Wenn Gegner eine AfD-Demonstration behinderten, werde man der Polizei fortan fünf Minuten Zeit geben und dann mit 1000 ‚Patrioten‘ im Rücken der Gegendemonstration auftauchen. Zuvor hatte er die Bundespolizei aufgefordert, ihren Vorgesetzten nicht mehr zu folgen, andernfalls werde man sie nach der Machtübernahme „des Volkes“ zur Rechenschaft ziehen! (Tagesschau.de vom 06.09.2018).

Faktenlage: Höcke orientiert sich in seinem Tiervergleich direkt an Goebbels: „Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir!“ (so in dem von ihm herausgegebenen „Der Angriff, 1927, zitiert nach: (Spiegel online, 24.06.2018). Die Agressivität gegenüber den Ordnungshütern scheint seine Parallele auch in den braunen Horden der SA in den frühen 20er Jahre zu finden, die quasi als bewaffnete Ordnungsmacht der NSDAP in einer Parallelgesellschaft gegen missliebige Gruppen und auch gegen die Polizei randalierte.

Alexander Gauland und der „Volkskörper“

Alexander Gauland ist noch Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Ehrenvorsitzender der AfD.

Im Januar 2016 äußerte Gauland in Bezug auf die nationalkonservative polnische Regierung, es sei „die Sache der Polen, zu entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie in ihrem Volkskörper haben wollen“. (Marc Grimm, Bodo Kahmann: AfD und Judenbild. Eine Partei im Spannungsfeld von Antisemitismus, Schuldabwehr und instrumenteller Israelsolidarität. In: Stephan Grigat(Hrsg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder (= Interdisziplinäre Antisemitismusforschung, Bd. 7).

Faktenlage: Der Begriff entstand im 18. Jahrhundert, als man ein Volk als „lebenden Organismus“ beschrieb, ohne dabei zwischen Aus- und Inländer oder Angehörigen von unterschiedlichen Religionen zu unterscheiden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff in einem biologistischen Sinn verändert, als der ev. Theologe Adolf Stoecker behauptete: „Das moderne Judentum ist ein fremder Blutstropfen in unserem Volkskörper; es ist eine verderbliche, nur verderbliche Macht“. Hitler hat den Begriff dann noch weiter verunstaltet und in den rassischen Aufbau seines Volkes umgedeutet. Daraus entstand die Eugenik (aus dem Griechischen: „eugenes“ = edel geboren“ und „genesis“ = Werden, Entstehen), mit der Folge, dass die „edle arische Rasse“ rein gehalten werden müsse – in der Folge gab es das Gesetz über Zwangssterilisationen von Menschen angeblich minderwertigen Blutes und die Euthanasie – die Tötung angeblich unwerten Lebens.

Wenn laut Gauland Flüchtlinge ein „Fremdkörper“ in unserem „Volkskörper“ darstellen, dann ist der Begriff „Volkskörper“ genau in dieser verunglimpfenden Semantik gemeint.

Tino Chrupalla und der Bombenangriff auf Dresden

Bundessprecher der AfD und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021.

Im Vorfeld des 75. Jahrestags der Luftangriffe auf Dresden bezweifelte Chrupalla im Februar 2020 die Größenordnung von rund 25.000 Todesopfern. Mit Verweis auf Berichte von Verwandten, die als Augenzeugen 1945 in Dresden gewesen seien, gehe er von rund 100.000 Todesopfern aus. (Spiegel online, 09.02.2020)

Faktenlage: Reichspropagandaminister Goebbels hat den Bombenangriff als lange vorbereiteten Vernichtungsfeldzug gegen die Kulturhauptstadt des Deutschen Reichs dargestellt. Die Zahl von 100.000 Toten war nichts als Propaganda – Interne NS-Dokumente stellten die spekulativen Zahlen in Frage. Die Zeitung Das Reich sprach am 4. März 1945, als Bergungsergebnisse schon vorlagen, von „zehntausenden“ gefundenen Toten. Goebbels sprach bei einer Konferenz in Görlitz am 6. März 1945 nach Berichten von Teilnehmern von „40.000“ Todesopfern, für die Hitler ebenso viele alliierte Piloten ermorden wolle (Götz Bergander: Dresden im Luftkrieg. Würzburg 1998, S. 224). Wissenschaft und Fachpresse kamen seit 1993 in etlichen Untersuchungen immer wieder zu dem Schluss, dass es mind. 18.000 und max. 25.000 Tite gegeben habe.

Was sagt das über die Literatur aus, die Herr Chrupalla liest? Die 100.000 Toten wurden nur von „sogenannten“ Historikern, wie David Irving weiter verbreitet, einem verurteilten Holocaustleugner.

Alexander Gauland und „Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten

Der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland kritisiert die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel bei einer Kundgebung in Elsterwerda am 02.06.2016 mit den Worten „Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land“ und nennt Frau Merkel eine „Kanzlerin-Diktatorin“ (Zeit online, 05.06.2016).

Faktenlage: Bei dem Satz handelt es sich um einen Teil des Refrains des Titels „Tolerant und geisteskrank“ von der Neonazi-Band Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten, veröffentlicht auf der 2010 erschienenen CD „Adolf Hitler lebt!“. Laut bayrischem Verfassungsschutz wurde der Slogan zuvor von der NPD benutzt.

Alexander Gauland, die Nazizeit und der Vogelschiss

„Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, so der Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland im Juni 2018 auf dem Bundeskongress der Jungen Alternative für Deutschland, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. (Die Welt online, 31.12.2018) Damit hat Gauland erneut die ungeheuren Verbrechen der Nazis relativiert.

Faktenlage: Der Holocaust, die systematische und industriell organisierte Vernichtung von über sechs Millionen Menschen, stellt ein bis dahin in der Weltgeschichte präzedenzloses Verbrechen dar. Deutschland lag nach seinem verlorenen Angriffskrieg in Schutt und Asche. Er kostete etwa 60 Millionen Menschen, darunter viele Millionen Deutsche, das Leben und teilte unser Land in BRD und DDR. Eine solche verheerende Bilanz bezeichnet Gauland als ‚Vogelschiss in der Geschichte‘.

Jürgen Pohl und ein Neo-Nazi-Gedicht

Mitglied des Deutschen Bundestags, Rechtsanwalt, ehemaliger Büroleiter des Büros Höcke.

Auftritt Pohls auf der Landeswahlversammlung am 18.02.2017: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und es gnade euch Gott!“. Dieses Gedicht  wurde am 21. (!, Hitlers Geburtstag) April 1990 bei einer Neonazi-Großveranstaltung im Münchner Löwenbräukeller erstmals vorgetragen, Verfasserin unbekannt. Die Verse sind ein in Reimen versteckter Mordwunsch voller Anspielungen auf nationalsozialistisches Vokabular (bpb online, 30.01.2019). Die Thüringer AfD äußert zu Pohls Auftritt, dass „dessen bewegende Rede sicher noch vielen Anwesenden im Gedächtnis bleiben wird“ (bpb online, 30.01.2019).

Faktenlage: Die Wendung „vom Feinde bezahlt“ gehört zur typischen Verschwörerweltsicht von Rechtsextremen, wobei als Feind entweder „die Amerikaner“, „die Linken“, „die Juden“ oder heutzutage George Soros angesehen werden. Bei der Floskel, einst werde „wieder Gerechtigkeit walten“, kann sich das Wort „wieder“ in diesem Zusammenhang nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hitler-Deutschland beziehen. Und wenn „das Volk“ richten soll, träumt man wohl von einem Volksgerichtshof, wahrscheinlich wie einst mit „volkshygienischen Aufgaben“, in dem „das Volk“ die Bundesregierung Angela Merkels (offenbar zum Tod) verurteilen wird, so legen es andere Zitate von Höcke und Co. nahe. Das Gedicht endet mit der Redensart, dann „gnade Euch Gott“. Mit eben diesen Worten hat Adolf Hitler 1922 in München der damaligen Regierung und den Juden, wenn er einmal an der Macht sei, gedroht; und für die sozialdemokratische Führung gäbe es dann nur noch eine Strafe: „den Strick“.