Leserbrief Mariam Morad

Mariam hat den Krieg überlebt und will doch jetzt nur eins… arbeiten

Niemand wünscht für sich und erst recht nicht für sein Kind ein Leben wie das, was Mariam Morad bis jetzt erlitten hat. Die Menschen in Syrien sind unter die gleichen russischen Bomben gekommen wie die Kinder heute in Kiew, Charkiw oder Odessa. Und die Bilder von Krieg, Tod und Flucht werden sie alle noch lange, vielleicht ihr Leben lang begleiten. Es stimmt, die Menschen, die nach Europa fliehen, stellen Behörden, Kommunalpolitik, Kitas und Schulen sowie ehrenamtliche Helfern und Helferinnen vor große Herausforderungen. Einwanderung bedeutet harte Arbeit, bringt Verteilungskonflikte mit sich, löst Ängste und Abwehrreaktionen aus. Immer höhere Zäune und Rückführungen lösen diese Probleme aber nicht. Irreguläre Migration verringern wir am ehesten durch reguläre Wege nach Europa und durch Lebensperspektiven in der Heimat. In unserem Land braucht es konsequente Anstrengungen in Bildung und Ausbildung der neu Angekommenen, denn sie sind auch Arbeitnehmer*innen und Steuerzahler*innen von morgen. Und Mariam Morad möchte arbeiten, gerne in der Altenpflege oder im Krankenhaus, in der Kita.

Die vorherrschende Stimmung im Land vermittelt die Botschaft „ Migranten sind ein Problem, eine Überforderung“. Kaum vernehmbar ist dagegen die andere ebenso wichtige Botschaft: Sie werden gebraucht.  Nicht so sehr Ausreise, sondern Einreise tut not.

Kindertagesstätten können wegen des Mangels an Erziehern*innen andernorts schon häufig kein verlässliches Betreuungsangebot mehr anbieten. Wer bei uns für kleine Kinder verantwortlich ist, steckt oft in Schwierigkeiten, um verkürzte Öffnungszeiten aufzufangen oder um möglicherweise bald sogar selbst in Kitas auszuhelfen.

Schon heute sind in Deutschland fünf Millionen Menschen pflegebedürftig. Und diese Zahl nimmt stetig zu. Prognosen zufolge wird sie in den kommenden Jahren auf über sechs Millionen ansteigen aufgrund der alternden Bevölkerung. All diese Menschen sind auf Betreuung angewiesen, da sie sich oft nur noch eingeschränkt selbst versorgen können. Dafür sind ausgebildete Pflegekräfte notwendig, die auf die individuellen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen eingehen. Der aktuell herrschende  Fachkräftemangel macht diese Situation schon jetzt dramatisch, wie sie diejenigen schon täglich spüren, die in Lippstadt einen kranken oder alten Menschen pflegen. Bekanntlich fehlen schon heute in Deutschland zehntausende Pflegekräfte, bis 2030 könnten es voraussichtlich zwei- bis dreihunderttausend sein. Kliniken schließen schon Stationen und geben Intensivbetten auf, weil Personal fehlt. Deshalb flog der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn um die halbe Welt, von Sarajevo bis Manila, um „dort um jede einzelne Pflegekraft zu kämpfen“, wie er sich ausdrückte, und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil reiste im Sommer aus demselben Grund nach Brasilien…

Wer wird die wichtige Arbeit tun? Mariam Morad zum Beispiel möchte sie gerne tun – zu ihrem Wohl und zu unserem.

Da das Gesetz den zuständigen Behörden einen Ermessensspielraum einräumt, möchten wir Bürgermeister Moritz und die hiesige Ausländerbehörde bitten, bei ihrer Entscheidung im Fall von M. Morad, sie nach Bulgarien abzuschicken, auch die Personalnot von Pflegeheimen und  Krankenhäusern in unserer Stadt zu berücksichtigen und nicht zuletzt auch an  die Lippstädterinnen und Lippstädter zu denken, die so dringend Pflege und Zuwendung benötigen.

 

Rita Gockel-Gesterkamp, Dorothee Hovermann, Hermann-Josef Skutnik, Heinz Gesterkamp und Dieter Wassermann-Rieber aus Lippstadt und Anröchte