Zuhörer im vollbesetzten Rathaussaal hören einen Vortrag zum Leverkusener Modell zur Unterbringung von Flüchtlingen

Auf eigene Faust zur Wohnung | Presseartikel „Der Patriot“

Abdruck des am 15.02.2014 erschienenen Artikels mit freundlicher Genehmigung von „Der Patriot“.

Vorbild für Lippstadt? In Leverkusen suchen Asylbewerber ihre Unterkunft selbst

LIPPSTADTDie Stadt Leverkusen hat es geschafft: Binnen elf Jahren hat sie elf von zwölf Übergangsheimen geschlossen, gleichzeitig die Lebenssituation von Asylbewerbern durch „temporäre Integration“ verbessert und den Haushalt entlastet. Das berichtete Rita Schillings vom dortigen Flüchtlingsrat am Donnerstag im Rathaussaal. Vor rund 70 Zuhörern referierte sie auf Einladung des Netzwerks für Frieden und Solidarität über das „Leverkusener Modell“, einer dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen.

„Ich habe keine Sorge, dass jemand, der es übers Mittelmeer geschafft hat, an einem Herd in Lippstadt verzweifeln würde“. Damit brachte Schillings auf den Punkt, was typisch für den Leverkusener Ansatz ist: die Rheinländer trauen den Flüchtlingen ein hohes Maß an Eigenverantwortung zu. Deshalb können Asylbewerber dort selbstständig eine eigene Wohnung suchen. Das Miet-Maximum orientiert sich an den Obergrenzen des Sozialgesetzbuches.

Stadt und Zivilgesellschaft haben dazu ein Hilfe-Netz gesponnen. Das umfasse etwa Sprachkurse, um die Kürzel des Wohnungsmarktes zu verstehen: „3ZKDB – das ist etwas, was man erst lernen muss“. Um Vorbehalte abzubauen, habe man auch Vermietern das Verfahren eingehend erläutert.

Mit erfolg: Verwahrlosung oder gar Untertauchen habe es „in keinem Fall“ gegeben. Ein Heimplatz koste pro Person 233 Euro, eine Mietwohnung lediglich 148 Euro. Zudem entfielen Bau- und Sanierungskosten. Nur noch 236 von 496 leistungsberechtigten Flüchtlingen lebten im Oktober 2013 in einem Heim. Allerdings habe man inzwischen wegen des starken Zuzugs ein weiteres Heim öffnen müssen – ganz ohne komme man nicht aus. Insbesondere für große Familien fänden sich kaum Wohnungen.

Wie GWL-Geschäftsführer Meinolf Köller erklärte, sei in Lippstadt gerade der Markt für Wohnungen im unteren Preissegment angespannt. Schillings sagte indes, dass die Leute auch in Leverkusen trotz ähnlicher Verhältnisse Erfolg hätten. Und es gebe keine „No-Go-Areas“. Bert und Gisela Bertling, die in Lipperbruch Asylbewerbern helfen, wiesen darauf hin, dass eine dezentrale Unterbringung alle Beteiligten entlasten könne. Und eine Anwohnerin aus der Hospitalstraße betonte die Notwendigkeit einer Sprachförderung zur Konfliktbewältigung.

Stadtjurist Joachim Elliger verteidigte die Verwaltung insofern, als sie schon lange für die Flüchtlinge Wohnungen suche. „Die Stadt tut viel, das ist sehr löblich“, hielt Zuhörerin Sawina Kordistos ihm entgegen. „Aber wie ich das Leverkusener Modell verstehe, sollten wir das bündeln“.

Neubau: Zweimal 60 Plätze geplant

Elliger zeigte sich am Freitag offen für die Anregung, die Arbeit der Stadt und anderer Akteure besser zu koordinieren. „Jeder, der uns hilft, in privaten Wohnraum zu vermitteln, würde die Lage entspannen“, sagte er dem Patriot. Derzeit gebe es in Lippstadt 66 Geduldete. Elf von ihnen seien privat untergebracht, dazu auch einige Bewerber im laufenden Verfahren.

Grundsätzlich sei jedem ein Wohnheim-Auszug gestattet. Oft scheitere es aber daran, dass eine Wohnung nicht teurer sein dürfe als die 260 Euro, die die Stadt dafür erhalte. Man müsse jedoch prüfen, ob es nicht noch mehr Spielraum gebe, räumte Elliger ein.

Indes unterstrich er seine Mahnung, am Neubau der Heime Stirper Straße und Hospitalstraße festzuhalten. Nur dann ließe sich die Situation der derzeit 172 Flüchtlinge in Lippstadt verbessern. „Ja, klar“, gebe es dafür schon erste Entwürfe, sagte er dem Patriot. Geplant seien zweigeschossige Gebäude mit je 60 Plätzen. Für die Stirper Straße (aktuell: 27 Asylbewerber und sechs Obdachlose) bedeute das eine Erweiterung.

An der Hospitalstraße sei ein kleinerer und offenerer Komplex angedacht als bisher. Zwar beweg man sich mit momentan 41 Bewohnern an der Obergrenze, aber nur weil ein haus und einige Etagen wegen ihres Zustands nicht mehr genutzt würden. Früher waren es 90 Plätze. Elliger sicherte zu, „möglichst mit allen Akteuren“, auch den Anwohnern, zu sprechen. Geprüft werden müsse zudem ein Alternativstandort, den die GWL vorgeschlagen habe. Wo der ist, wollte Elliger nicht sagen.   -isa