Ausländerfeindliche Instrumentalisierung von Sexualstraftaten

Ein aktuelles Beispiel für Missbrauch der Meinungsfreiheit, ist der manipulative Versuch der AfD, Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Einführend zu einem Videobeitrag schreibt Frau Weidel in einem Tweed vom 07.08.21: „Warum Gruppenvergewaltigungen inzwischen Normalität sind“.

Mit Blick auf das unsägliche Leid, auf die hemmungslose unmenschliche Gewalt, die die Seele einer Frau erlöschen lassen kann (so die Frauenrechtlerin Necla Kelek); mit Blick auf jedes Schicksal einer (Gruppen)-Vergewaltigung, das viel zu viele Frauen erdulden müssen, ist diese Instrumentalisierung durch die AfD einfach nur widerwärtig.

In unserem Beitrag werden wir darlegen, wie die Manipulation abläuft, ohne in der Faktenlage die Unwahrheit zu sagen. Am Ende werden Sie ein völlig geändertes Bild sehen – ein Ausmaß an Sexualverbrechen, das noch viel größer ist, begangen von deutschen und ausländischen Tätern in gleichem Maße.

Dazu die Bundeszentrale für Politische Bildung: „…sind im öffentlichen Raum immer wieder Aussagen zu hören, die sich auf die Polizeiliche Kriminalstatistik berufen, um zu belegen, dass Ausländer krimineller seien als Deutsche. Darin spiegelt sich im besten Fall eine unreflektierte Dateninterpretation wider. Häufig sind solche Aussagen aber auch politisch motiviert, etwa um durch das Bedienen von Ängsten vor den vermeintlich „Anderen“ die eigene Gruppenidentität zu stärken. …“

Dass eine Spitzenpolitikerin der AfD – immerhin ist sie stellvertretende Bundessprecherin und Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, zudem Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2021 – so manipulativ hetzend auftritt, bestärkt das Netzwerk in seiner Auffassung, dass die AfD auf keinen Fall eine wählbare Alternative im demokratischen Diskurs darstellt.

Der Ablauf einer Manipulation

Aussage von Frau Weidel im Twitter-Video am 07.08.2021: „… etwa 50% der Gruppenvergewaltigungen werden von ausländischen Gruppen begangen … Ich dachte immer, das sei der Einzelfall, aber der Einzelfall scheint zum Normalfall geworden zu sein … In Deutschland werden täglich 2 Frauen von einer Männergruppe vergewaltigt … und jeder zweite Täter hat keinen deutschen Pass … Mich würde eigentlich mal interessieren: von der anderen Hälfte, die einen deutschen Pass haben – wer von denen eingebürgert wurde …“.

Gruppenvergewaltigungen

Frau Weidel bezieht sich allein auf diese Variante der Sexualstrafdelikte und hat in diesem „Mikrokosmos“ durchaus Recht: In 2020 gab es 704 Gruppenvergewaltigungen (Quelle: BKA, Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung, pdf zum Herunterladen) – 46 % der Taten wurde von Syrern, Irakern und Afghanen während ihres laufenden Asylverfahrens begangen.

Statistik der Vergewaltigungen insgesamt

Im Jahr 2020 gab es 9.752 Vergewaltigungen insgesamt. Gruppenvergewaltigungen machen also nur gut 7% aller Vergewaltigungen in Deutschland aus. Den Eindruck zu erwecken, als seien Gruppenvergewaltigungen „der Normalfall“ unter den Sexualstrafdelikten, ist perfide und dient einzig und allein dem Zweck, Ausländer, Zugewanderte und Asylsuchende zu diskreditieren, weil sie in diesem kleinen Segment der Kriminalstatistik leider sehr gehäuft schlimmste Straftaten begehen.

Bei der Bilanz aller Sexualstrafdelikte hätte Frau Weidel keinerlei Handhabe mehr, gegen Zuwanderer zu hetzen: 11,84% Zuwanderer (*) gehörten 2020 zu den Straftatverdächtigen bei einem Bevölkerungsanteil von 11,43%.

        (*) Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 der Innenminister-Konferenz 2020 (Kapitel 4.2, S.13,                       Schlüssel 111000)

Das belegt, dass Zuwanderer insgesamt nicht stärker an triebgesteuerten Verbrechen involviert sind, als der Rest der Bevölkerung.

Frau Weidel argumentiert nicht objektiv und logisch, sondern betreibt bewusst Hetze wenn sie die Sexualstraftaten allein auf die fremde Kultur von Zuwanderern schiebt, denn das erklärt nicht, warum in unseren Nachbarländern mit sehr viel niedrigerem Anteil an Nicht-EU-Ausländern, z.B. Dänemark (5,44%), Großbritannien (3,74%), Schweden (5,85%),  und Norwegen (4,6%) in erheblich höherem Maße Sexualstraftaten verübt werden (Dänemark (3x so viel je 100.000 Einwohner), Großbritannien (fast 10x so viel), Schweden (7x so viel), Norwegen (4x so viel)).

Es gibt offenbar auch andere Indikatoren neben dem Einfluss der Kultur islamisch geprägter Länder mit geringen oder nicht vorhandenen Frauenrechten, die zu den schweren Straftaten gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen führen.

Verbrechensstatistik insgesamt

Machen wir den nächsten Schritt und weiten Frau Weidels Suggestion vom verbrecherischen Ausländer auf die Gesamtstatistik an Straftaten in Deutschland aus.

Insgesamt wurden in 2020 in Deutschland 5.310.621 Straftaten verübt. Nur 1,5% davon waren Sexualdelikte, nur 0,18% Vergewaltigungen, demzufolge 0,01% Gruppenvergewaltigungen (s.o.). Und genau diesen kleinen Bereich nutzt Frau Weidel, um Asylsuchende als überdurchschnittlich kriminell zu stigmatisieren.

An der Gesamtzahl der Straftaten in der Bundesrepublik waren Zuwanderer mit 12,13% beteiligt (Innenministerkonferenz, Kriminalstatistik 2020, Kapitel 4.1, S.12), wobei man 2,37% Straftaten aus der Statistik abziehen muss, da es sich um ausländerrechtliche Straftaten handelt (Innenministerkonferenz, Kriminalstatistik 2020, Kapitel 4.2, Schlüssel 725000, S.25), die ja kein Deutscher begehen kann. Damit bewegt sich der Ausländeranteil an Straftaten in Deutschland also absolut im Rahmen – Ausländer sind nicht krimineller als Deutsche – sind eher sogar unterrepräsentiert!

Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

Um jedoch wirklich vergleichbare Aussagen zu haben, muss man natürlich die soziale Struktur, die Einfluss auf das Kriminalitätsrisiko hat berücksichtigen:

  • Das Geschlecht (mehr Männer)
  • Das Alter (mehr Junge)
  • Die Qualifikation (mehr Ungelernte)

Vergleicht man die Migranten mit Deutschen in gleichen sozialen Lagen, dann wird man feststellen, dass die Migranten prozentual eine deutlich größere Gesetzestreue aufbringen als Deutsche.

Das verleitet Prof. Dr. Rainer Geißler, Soziologe an der Uni Siegen zu der Schlussfolgerung, „dass nicht der Zusammenhang von Migration und Kriminalität zu untersuchen sei, sondern die Frage, warum Migration zu mehr Gesetzestreue führe“ (Der kriminelle Ausländer – Vorurteil oder Realität? (in: Überblick 1/2008, 14. Jg., S. 3-9 und: Geißler, Rainer: Das gefährliche Gerücht von der hohen Ausländerkriminalität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 35, S. 30-39.)

Zusammenfassung

Zuwanderer mit ausländischem Pass sind nicht krimineller als Deutsche ! In der Gesamtstatistik der Straftaten sind sie, wenn man gleiche Bevölkerungsgruppen vergleicht, sogar eher unterrepräsentiert. Es gibt jedoch den kleinen 0,01%-Anteil der Gruppenvergewaltigungen in der Verbrechensstatistik, an denen Asylsuchende, meist allein hierhergekommene junge Männer, erheblich überrepräsentiert sind. Familiennachzug hätte die Situation sicherlich deutlich entschärfen können, aber auch dagegen hätte die AfD lautstark protestiert.

Dass die AfD genau mit dieser kleinen Nische in der Kriminalitätsstatistik Migranten generell diskreditieren will ist sehr subtil aufgemacht, und gerade deshalb einfach nur widerlich, rassistisch und ausländerfeindlich.

Wir zitieren aus dem Verfassungsschutzbericht 2020, bezogen auf die NPD: „Die fremdenfeindliche Agitation der Partei belegt Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften und diffamiert diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung“. (pdf zum Download, S. 102, Hervorhebung durch den Redakteur)

Vergleichend mit diesem Argument des Verfassungsschutzes für die Beobachtung einer Partei ist das Netzwerk sicher, dass die AfD nach der Bundestagswahl als Verdachtsfall eingestuft werden wird.