Eine Petition ist ihre letzte Hoffnung | Presseartikel „Der Patriot“

Eine Petition ist ihre letzte Hoffnung

Abdruck des am 26.10.2023 erschienenen Artikels mit freundlicher Genehmigung von „Der Patriot“.

Eine junge Frau ist verzweifelt: Miriam Morads Asylantrag wurde abgelehnt. Sie soll ausreisen – in ein fremdes Land. Nach Bulgarien. Allein. Während die Familie in Deutschland bleiben darf. Die letzte Hoffnung der jungen Frau – eine Petition, die das Netzwerk für Frieden und Solidarität an den Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages gestellt hat.

Von Carolin Cegelski

Lippstadt – Miriam Morad hat in ihrem jungen Leben bereits viel erlebt: den Krieg in Syrien, die Flucht in die syrische Stadt Qamischli – und von dort aus weiter in die Türkei. Das Ziel der Familie: Deutschland. Doch nur ihre beiden jüngeren Brüder und die kleine Schwester schaffen es mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer. Für Mariam, ihre Eltern, die Oma und einen jüngeren Bruder endet die Flucht auf See mit Motorschaden. Sie müssen zurück in die Türkei – und bleiben. Die Oma, die im Krieg in Syrien ein Bein verloren hat, ist traumatisiert. Mariam, die in der Türkei die neunte Klasse einer Berufsschule besucht und ihren Realschulabschluss macht, kümmert sich bis zu deren Tod um ihre Großmutter – und will eine Ausbildung in der Pflege machen. Dennoch sei die finanzielle Lage der Familie in der Türkei nie leicht gewesen – das Einkommen des Vaters reichte nie aus, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Unmenschliche Zustände

2021 verändert sich die Situation der Familie: Mariams Eltern dürfen im Rahmen der Familienzusammenführung mit der minderjährigen Tochter nach Deutschland einreisen. Weil Mariam volljährig ist, darf sie der Familie nicht folgen – alleine in der Türkei möchten sie, ihre Schwester Azzia und deren Ehemann aber auch nicht bleiben. Ein Schlepper verspricht, sie von Istanbul über Bulgarien nach Deutschland zu bringen. Der zweitägige Fußmarsch ist beschwerlich – und in Bulgarien angekommen fliegen die Schlepper und ihre hilflosen Begleiter auf.

Mariam wird festgenommen. 40 Tage verbringt sie in Gewahrsam. Die Bedingungen sind menschenunwürdig. Katastrophal. Die junge Frau berichtet von 30 bis 40 Personen, die zusammen in einem Zimmer eingepfercht sind – teilweise schlafen die Menschen übereinander. Erst als sie in ihrer Not und dem Wunsch wieder bei ihrer Familie zu sein einen Asylantrag stellt, darf sie in ein Übergangswohnheim ziehen. Dort sind die Zustände nicht besser, wie Handyvideos, die die junge Frau aufgenommen hat, dokumentieren – unter anderem in den Toiletten- und Waschräumen türmen sich der Müll und Fäkalien.

Immerhin: Sie darf sich wieder frei bewegen. Mit der bulgarischen Aufenthaltsgenehmigung reist die heute 22-Jährige über Belgien nach Deutschland: In Bochum stellt sie im März 2022 einen Asylantrag, wird in Essen, Hamm und Herford in Unterkünfte zugewiesen – und landet schließlich in Lippstadt. Rund 70 Kilometer entfernt von ihren Eltern, die in Detmold leben.

Rechtlich ist die Sache klar

Rechtlich ist die Sache klar: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hart Mariams Asylantrag abgelehnt, die Klage der jungen Frau gegen die Entscheidung scheiterte: Ihr Asylverfahren und ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurden im Mai 2023 mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg abgelehnt. Das Dublin-Abkommen sieht vor, dass die junge Syrerin Deutschland verlasen muss. Nach den Verteilregeln der EU muss ein Flüchtling in dem Land seinen Asylprozess durchlaufen, in dem er zuerst europäischen Boden betritt. Wer weiterreist, wird zurückgeschickt. So wie Mariam. Die 22-Jährige soll nun zurück nach Bulgarien – ganz alleine. Für die junge Frau, die nach ihrer Flucht und den Erlebnissen in Bulgarien, unter Schlafstörungen leidet und die psychisch sehr belastet ist, ist die rechtmäßige Situation nur schwer zu ertragen. Mariam hat eine enge Verbindung zu ihrer Mutter, und die hat gerade eine Krebsdiagnose bekommen. Ob sie den Kampf gegen die Krankheit gewinnt – das ist ungewiss. Die Sorge der jungen Frau um ihre Mutter ist groß. “Es bricht mir das Herz“, sagt sie. Auch die Mutter – von der Chemotherapie gezeichnet – würde es nicht verkraften, wenn die Familie auseinandergerissen wird.

Nicht nur deshalb möchte Mariam hierbleiben. Sie würde gerne eine Ausbildung machen – etwa zur Altenpflegerin oder Krankenschwester. Seit ihrer Ankunft in Deutschland im März 2022 und der Unterbringung in den verschiedenen Sammelunterkünften hat sie sich darum bemüht, einen Integrationskurs zu besuchen und die Sprache zu lernen. Doch die Kurse sind gefragt. Bis heute hat Mariam keinen Platz bekommen. In Lippstadt besucht sie beim AWO-Jugendmigrationsdienst einen Förderkurs zum Spracherwerb. Zu einem Lippstädter Bildungswerk habe sie bezüglich einer Ausbildung in der Pflege bereits Kontakt aufgenommen.

Trotzdem: Im November muss sie beim bulgarischen Konsulat in Frankfurt ihre Ausreisepapiere abholen, sonst droht der jungen Frau die Abschiebung.

Netzwerk appelliert an Menschlichkeit

Die letzte Hoffnung der Syrerin ist die Petition, die das Netzwerk für Frieden und Solidarität im August beim Land Nordrhein-Westfalen eingereicht hat. „Rein rechtlich hat die junge Frau keine Chance“, sagt Netzwerk-Sprecher Michael Tack. Sie habe in Bulgarien einen Asylantrag gestellt – „unter dem Druck der Behörden.“ Das Netzwerk unterstütze die Frau aus „menschlichen Gründen“. Wann über die Petition entschieden wird, ist noch ungewiss. Auch das Ergebnis müsse nicht abgewartet werden – die junge Frau muss ausreisen. Mariams Herzenswunsch: „Ich bitte die deutschen Behörden, dass ich bleiben darf und eine Ausbildung machen kann.“